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< Ostern 2011 in/bei der RGH
26.04.2011 / Vereinsleben

Wenn den Eseln zu wohl ist, rudern sie auf der Moldau …


Nach über einem Jahrzehnt Rudererfahrung, war ich der Meinung schon einiges auf dem Wasser mitgemacht und erlebt zu haben. Dies sollte sich Ostern 2011 jedoch ändern, so dass ich meiner Steigerung
1. Ablegen und rudern auf dem „ruhigen“ Neckar in Heidelberg
2. Ablegen und rudern auf dem „starkströmenden“ Rhein in Ludwigshafen
eine weitere, unerwartete Schwierigkeitsstufe hinzufügen konnte.
Aber ich will von vorne beginnen: Im Sommer letzten Jahres wurde unser Sepp von einer jungen, blonden Frau angesprochen. Sie mache für vier Wochen einen Sprachkurs in Heidelberg, hätte schon etwas Erfahrung und wollte ein wenig rudern. Sepp verwies sie an Katrin und mich, wir könnten ja mal mit ihr in den Doppeldreier steigen. So lernten wir Gabi kennen. Da ich mich eigentlich nicht über neue Mitglieder im Vorhinein informiere, wusste ich auch nicht, wer auf Position zwei zwischen Katrin und mir Platz nehmen würde. Dies änderte sich ziemlich schnell nach dem Ablegen. Gabi zog ihren Einteiler hoch und ich starrte auf große schwarze Buchstaben auf weißem Grund: CZECH REPUBLIC. Die Vermutung wurde bestätigt durch ein wunderbar laufendes Boot, das Katrin später noch öfters als „Rudern mit Außenbordmotor“ bezeichnen sollte. Nach vielen Trainingseinheiten mit anschließenden gemeinsamen Aktivitäten war eine Freundschaft entstanden, Gabi nahm schweren Herzen Abschied von uns und fuhr zurück nach Hause, nicht aber ohne uns das Versprechen abgenommen zu haben, sie in Prag zu besuchen. Nach längerer Terminsuche machten wir uns schließlich an Gründonnerstag mit dem Auto auf, die Moldau zu erobern. Ach ja, als ständig Rückengeplagte, konnten Katrin und ich natürlich nicht alleine fahren, irgendwer musste ja schließlich auch die Boote aus der Halle auf den Steg tragen. So durften auch Michael und Achim mitkommen! Nach extensiven Laufeinheiten durch die Botanischen Gärten (ja, Prag hat gleich zwei), die Altstadt, die Neustadt, die Karlsbrücke und die Burg war es Sonntagnachmittag endlich so weit: Wir durften auf der Moldau rudern. Leider ging es nicht früher an diesem Tag, weil Gabi im Trainingslager war, vorher schon zweimal trainiert hatte und extra wegen uns zu ihrem Ruderverein nach Prag kam. Dieser Ruderverein zeichnet sich dadurch aus, dass es nur Rennboote, meist mit Flügelauslegern - und das ist gut so – gibt. Ein weiterer Vorteil der Moldau in Prag sind die unzähligen Tretbootfahrer. Im Gegensatz zu Heidelberg werden diese nämlich auf einem kleinen Stück Moldau zwischen Karlsbrücke und Tanzendem Haus durch zwei Staustufen eingesperrt, was einem Kinderlaufstall ähnelt. Wir wollen die Verantwortlichen in Heidelberg nun kontaktieren und uns erkundigen, ob man nicht eine weitere Staustufe um den Tretbootverleih einziehen kann. Aber zurück zum Rudern. Das Boottragen verlief ohne große Zwischenfälle, da wir ja einen tollen, leichten Rennvierer des dortigen Vereins fahren durften und unsere Träger ebenfalls zur Stelle waren. Beim Einlegen der Skulls haben wir dem Verein auch alle Ehre gemacht und uns nicht blamiert. Leider öffnete sich jedoch kurz bevor wir ablegen wollten die Schleuse und entleerte eine Karawane von Ausflugsschiffen, welche schnell und rücksichtslos an uns vorbeifuhren. So erhielten wir ein kostenloses Fußbad mit kaltem Moldauwasser. Nach einer gefühlten Ewigkeit war die Schleuse endlich geleert und die Mannschaft bereit zum Ablegen. Gabi begleitete uns mit dem Einer. Die Aussicht war grandios, zwar konnten wir nicht nahe an die Karlsbrücke heranfahren, da waren ja die Tretbootfahrer eingesperrt, aber wir hatten einen wunderschönen Blick auf die Umgebung bis, ahhhh, die erste Welle kalten Moldauwassers an unsere Rücken klatschte. Inzwischen war nämlich der Wind aufgefrischt und tsumaniehohe Wellen näherten sich unserem Vierer. Gabis Bug und Heck versank häufiger in den Wassermassen und in Heidelberg wäre sicher kaum einer bei diesen Bedingungen auf die Idee gekommen zu rudern. Aber dafür waren wir ja schließlich nach Prag gekommen und 10 km sollten ja irgendwie zu schaffen sein. Die Ausflugsschiffe drehten ziemlich schnell wieder um, so dass wir neben den windbedingten auch noch die von den Schiffen erzeugten Wellen abbekamen. Gabis Einer glitt derweil unbeschwert durchs Wasser, während wir nass wurden. Bei der Wende wurde uns bewusst, dass wir die ganze Zeit über mit dem Wind gefahren waren. Jetzt begann der Kampf mit dem sauberen Setzen, was leider nicht so gut gelang, weitere trockene Stellen der Kleidung wurden feucht. Hinter einem Brückenpfeiler lauerte dann mein uneingeschränktes Horror-Highlight: eine Gruppe von ca. 30 Schwänen, vermutlich alle aus Heidelberg von den Nilgänsen vertrieben, schwamm auf einer breiten Fläche vor uns. Wer jemals von einem Schwan im Ruderboot angegriffen wurde, kann meine Angst sicher verstehen. Zusätzlich hatte uns Gabi vorher noch vor diesen Vögeln gewarnt. Wir saßen verkrampft im Boot, Gabis Einer glitt unbeschwert durchs Wasser. Die Dämmerung setzte langsam ein und nach dem zum Glück ereignislosen Passieren der Schwäne, konnten wir erneut das tolle Panorama genießen bis, zischhhh, die nächste Welle an unseren Oberschenkeln landete. Jetzt hieß es schnell anlegen, da wieder Ausflugsschiffe in Richtung Schleuse unterwegs waren. Wir ließen Gabi den Vortritt und schafften es gerade unseren Vierer aus dem Wasser zu heben, als der nächste Ausflugsdampfer an uns vorbeifuhr. Wer den Artikel aufmerksam gelesen hat, wird wissen, dass unser Boot im Inneren nicht allzu wasserfrei war. Dies führte zu lautem Gelächter seitens der Touristen, die mitbekamen, wie unseren restlichen trockenen Kleidungsstellen durch eine ordentliche Taufe mit Moldauwasser tropfnass wurden. Alles in allem war es trotzdem eine schöne Einheit mit vielen neuen Erfahrungen, die ich nicht missen möchte. Vielen lieben Dank, Gabi, dass Du uns das ermöglicht hast. Mir wurde nach diesem Tag außerdem klar, warum die tschechischen Ruderer auf internationalen Regatten auch bei widrigen Bedingungen einen entspannten Eindruck machen, denn Gabis Einer glitt unbeschwert durchs Wasser.
Und wer jetzt denkt, dass wir nicht rudern können, der fahre doch bitte auch mal nach Prag und versuche es. Denn: Bei guten Bedingungen rudern, kann jeder!!! Andrea Nies, im Namen des RGH-Vierer von Prag, Ostern 2011 P.S.: Ein paar Bilder finden Sie hier.